Was ist eine Intelligenzminderung oder Minderbegabung?
Laut Definition versteht man unter einer Intelligenzminderung oder Minderbegabung …eine sich in der Entwicklung manifestierende, stehengebliebene oder unvollständige Entwicklung der geistigen Fähigkeiten, mit besonderer Beeinträchtigung von Fertigkeiten, die zum Intelligenzniveau beitragen, wie zum Beispiel Kognition, Sprache und motorische sowie soziale Fähigkeiten…(Quelle: Wikipedia)
Für Intelligenzminderungen gibt es, wie auch für psychische Erkrankungen, offizielle Diagnosen. Diese werden in verschiedene Stufen unterteilt, um den Grad der Einschränkung für die betreffende Person zu bestimmen. Der normale Durchschnitts-Intelligenzquotient liegt in einem Rahmen von 85-115. Ein Intelligenzqotient wird mit Hilfe von einem Intelligenztest gemessen.
Unter einem Intelligenzquotienten von 85 spricht man von einer unterdurchschnittlichen Intelligenz, aber noch nicht von einer Intelligenzminderung. Diese beginnt bei einem Intelligenzquotienten von 69 und endet bei einem Intelligenzquotienten von 50. Das Wort „leichte“ ist hier jedoch mit Vorsicht zu interpretieren, da diese Diagnose dazu führt, dass man einen „normalen Schulabschluss“ in der Regel nur schwer erreichen kann, eine Berufsausbildung auf dem ersten Arbeitsmarkt ist ebenfalls in den meisten Fällen nur schwer zu erreichen.
Die offizielle Diagnose nach ICD (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems)
- F70 Leichte Intelligenzminderung (IQ 50–69)
- F71 Mittelgradige Intelligenzminderung (IQ 35–49)
- F72 Schwere Intelligenzminderung (IQ 20–34)
- F73 Schwerste Intelligenzminderung (IQ < 20)
Symptome einer Minderbegabung und wie stellt man Intelligenzminderung fest?
Gemessen wird die Intelligenz durch Testungen mit einem Intelligenztest. Vermutet man den Intelligenzquotienten im normalen Bereich, so setzt man bei Kindern am besten folgende Testverfahren ein:
- WISC-V
- K-ABC-II
- -CFT 1
- CFT20-R
Der CFT 1 oder CFT20-R empfiehlt sich auch als Intelligenztest zur nonverbalen Testung. D.h. wenn die sprachliche Entwicklung unterdurchschnittlich ausgeprägt zu sein scheint.
Bei Verdacht auf Intelligenzminderung empfehlen sich die Testverfahren
- CPM und
- SON-R
Wie sehen die schulische Perspektiven für minderbegabte Kinder und Jugendliche aus?
Beschulung von intelligenzgeminderten Kinder findet idealerweise statt auf
- Förderschulen Schwerpunkt Lernen
- Förderschulen Schwerpunkt Emotionaler und Sozialer Entwicklung
- Förderschulen Geistige Entwicklung
- einer Regelschule mit Inklusionszweig
Häufig beginnen intelligenzgeminderte Kinder auf Regel-Grundschulen, zeigen dann aber im Verlauf große Schwierigkeiten das Leistungsniveau der Klasse zu erreichen, so dass ein AO-SF-Verfahren (ein Verfahren zur Ermittlung des sonderpädagogischen Förderbedarfs) durch die Schule eingeleitet wird. Diesem müssen die Kindseltern zustimmen, sodass ein externer Sonderpädagoge über den Förderbedarf des Kindes zusammen mit dem Klassenlehrer berät und ein Gutachten verfasst. Der Sonderpädagoge hospitiert dann im Unterricht des Kindes, bringt den Leistungsstand des Kindes in Erfahrung und gewinnt so eine Einschätzung über die passende Beschulung.
Beschulung von Kindern mit mittelgradiger Intelligenzminderung
Bei Kindern mit einer mittelgradigen Intelligenzminderung spricht man von einem Intelligenzquotienten von 35 bis 49. Diese werden in der Regel schon im Kleinkindalter in einem heilpädagogischen Kindergarten gefördert und bei der Schuleingangsuntersuchung für eine Förderschule Schwerpunkt Geistige Entwicklung empfohlen. Bei der schweren Intelligenzminderung (Intelligenzquotienten 20 bis 34) und der schwersten Intelligenzminderung (Intelligenzquotienten <20) ist das Prozedere identisch.
Ursachen für eine Minderbegabung oder Intelligenzminderung
Da Intelligenz nicht vererbbar ist, sind die Ursachen einer Intelligenzminderung in anderen Faktoren zu suchen. Ca. 3% der Bevölkerung sind von dieser betroffen, häufig durch einen Gendefekt oder Schädigungen, die den Fötus betreffen (z.B. Alkohol- oder Drogenkonsum oder externe Schädigungen wie Giftstoff- oder Strahlenbelastung).
Förderung von Kindern mit Minderbegabung
Jedes Kind ist besonders und so sind auch intelligenzgeminderte Kinder ganz spezielle Persönlichkeiten. Eine kognitive Einschränkung inkludiert eine besondere Förderung, die auf die Bedürfnisse des kognitiv eingeschränkten Kindes abgestimmt ist. So können sowohl in der Schule, wie auch im Freizeitbereich zusätzliche Angebote zur Weiterentwicklung des Kindes etabliert werden. Besonders wichtig ist, die bestehenden Einschränkungen zu erkennen und das betroffene Kind jeweils nicht zu über- oder unterfordern.
Jedes Kind hat Ressourcen und Fähigkeiten, die man weiter stärken und ausbauen kann. Auch wenn Kinder mit einer Intelligenzminderung Arbeitsaufträge genauer erklärt bekommen müssen, es Auffälligkeiten in der Selbständigkeit und der Umsetzung von Alltagshandlungen und andere spezifische Hürden im Alltag für diese Kinder gibt, so ist ein selbstbestimmtes Leben, meist unter späterer Anleitung in Form eines Arbeitsangebotes durch angepasste Arbeit oder betreutes Wohnen möglich. Es sollte im Verlauf jedoch auch auf Komorbiditäten wie Einschränkungen in der Konzentration oder Depressionen Rücksicht genommen und diese in die Förderung miteinbezogen werden.
Therapeutische Angebote für die betroffenen Kinder und ihre Bezugspersonen sind zudem wertvolle Hilfen, um die individuellen Schwächen gemeinsam konstruktiv bearbeiten zu können. Durch geringere Konfliktlösestrategien und ein häufig impulsives Temperament sind viele Kinder und ihre Familien in schwierigen Situationen ohne professionelle Hilfe häufig überfordert. Auch die gemeinsame Perspektivgewinnung bzgl. schulischer und beruflicher Optionen ist für viele Familien alleine nur schwer zu bewältigen.
Therapie von Kindern mit Intelligenzminderung und Minderbegabung
Mögliche Therapieziele können beispielartig sein:
Therapieziele für Patienten
- Verminderung aggressiver Konflikte im Gleichaltrigenbereich, d.h. Abbau von körperlicher Aggression bedingt durch verminderte kognitive und verbale Konfliktlösefähigkeiten
- Verbesserung der Impulskontrolle und Erweiterung der Frustrationstoleranz (z.B. gegenüber Provokationen und Misserfolgserlebnissen bei Lerninhalten)
- Abbau von externaler Attribuierung bei Konflikten
- Aufbau sozialer Kompetenzen, d.h. Gleichaltrigen gegenüber angemessen auftreten und Konflikte adäquat lösen
- Aufbau von adäquaten Gleichaltrigenbeziehungen auch in Gruppensituationen (Schule)
- Ressourcenaktivierung
Therapieziele für Eltern
- Entwicklung eines adäquaten Störungsmodells
- Verbesserung der Erziehungskompetenz der Eltern
- Umgang und Akzeptanz der individuellen Einschränkungen des Kindes
Schulzentrierte Therapieziele
- Verbesserung der Erziehungskompetenz der Lehrer, insbesondere Erarbeitung von speziellen Fördermöglichkeiten
- Begrenzung aggressiven Verhaltens
- Steigerung der Frustrationstoleranz bei Misserfolgen von Lerninhalten
- Förderung von sozial kompetenten Verhalten.
Geschwisterbeziehung bei Kindern mit Intelligenzminderung
Auch für Geschwister stellen kognitive Einschränkungen von Kindern Herausforderungen dar. Zum einen sind Familienregeln und die Einhaltung dieser wichtig, zum anderen sind Kinder mit Intelligenzminderung in vielen Situationen nicht gleichwertig einschätzbar wie Kinder ohne Besonderheiten. Häufig sind hier flankierende Angebote für Geschwister hilfreich, die sich mit diesem Thema beschäftigen. Erziehungsberatungsstellen, Familientherapeuten und verschiedene Anbieter im erlebnispädagogischen Bereich können hier ebenfalls diese schwierigen Alltagsbedingungen unterstützen.
Tiergestützte Arbeit mit intelligenzgeminderten Kindern
Eine Alternative zur herkömmlichen Therapie stellt die tiergestützte Arbeit mit intelligenzgeminderten Kindern dar. Ob in der gemeinsamen Arbeit wie beispielsweise Pferden oder Hunden können diese Kinder Erfolgserlebnisse wahrnehmen, die sie in anderen Angeboten schwer erleben können, da die Leistungsorientierung, wie z.B. im Mannschaftssport, hier keine Relevanz erfährt und die Kinder auf einer anderen, nonverbalen, Ebene erreicht werden können. Viele Kinder mit kognitiven Einschränkungen erleben diese Art der Therapie als besonders wertvoll, da sie auf einer anderen Ebene mit dem Tier kommunizieren können, ohne sich hier wie im herkömmlichen Alltag unterlegen zu fühlen.
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